Wer meinen Reisebericht "19 Tage Trentino, Frankreich über deutsche PK" schon gelesen hat, darf jetzt vier Tage überspringen: viewtopic.php?f=51&t=926
Im September lädt das Versysforum zum Höhentreffen. Das ist in Südtirol oder im Trentino, eine Woche Rundtouren um ein Hotel. Eine sehr nette Art, Motorrad zu fahren und Gemeinschaft zu leben. Das hatte ich schon gebucht. Wenn man schon mal jenseits der Alpen ist, dann kann eigentlich auch noch eine Woche dranhängen, und sich westwärts nach Frankreich bewegen, und als Rundreise zurück. Aber da ist ja noch dieses Projekt „alle deutschen Passknacker in 2019“. Da fehlen mir noch diverse Punkte nah der südlichen Landesgrenze bzw. auf dem Weg dorthin, weil das bisher aus Essen echt weit weg war. Da könnte man doch eigentlich die restlichen Punkte in je 2 Tagen während Anreise und Abreise abgrasen. Das war der Plan. Macht insgesamt 19 Tage und ca. 6000 km. Klarer Fall, da nimmt man das Naked Bike ohne Windschild, weil… man es für eilige Auslandseinsätze gekauft hat, und von diesen 19 Tagen schließlich 14 aus „Pässe braten im Ausland“ bestehen. Macht TOTAL Sinn! Also, für mich zumindest. Wir sind übrigens:
Das sind so schon 2755 km, wenn man in Lavarone 6 Tage kein Motorrad fährt und nur Autobahnen fährt. Mit Pässen dürften es ca. 6000 km sein.
Do 5.9. Nürnberg, Schwäbische Alb
Ich will mir die restlichen deutschen Passknacker im Süden holen. Der Plan ist, bei der An- und Abreise je zwei Tage lang die restlichen Punkte in Süddeutschland zu holen. Für den ersten Tag der Anreise sieht der Plan so aus:
So geht’s dann morgens los, oder auch nicht? Es ist immer gut, auf eine 6000 km Tour aufzubrechen, und das Mopped springt nicht an. Hat wohl zu lange rumgestanden, und zwar seit dem Frankreich-Urlaub im Juni. Dabei bin ich letzte Woche extra noch eine kleine Runde gefahren (mit Starthilfe). Jetzt ist die Lithium-Batterie wieder leer. Da ich die einfach aus der Versys übernommen hatte, habe ich auch die originale Bleibatterie noch. Die muss ich nur erst mal finden in meinem Umzugs Chaos, denn ich habe bisher nur 6 Tage in der neuen Wohnung verbracht und noch längst nicht alles ausgepackt. Eine Motorradbatterie ist jetzt auch weder so groß noch schwer, dass sie in Umzugskisten groß auffallen würde.
Irgendwann habe ich sie dann gefunden und eingebaut, wofür man den Top Case-Träger abschrauben muss, dann die Yamaha hinter den BMW schieben, Starthilfe - läuft! Also Top Case-Träger angeschraubt, angezogen und aufgestiegen, da rollt das Auto fast auf mich drauf, weil meine Mutter drin rumturnt um sich den Sitz einzustellen und offensichtlich nicht merkt, dass die Handbremse nicht drin ist. Losgebrüllt, sie hat angehalten, ich entferne mich aus der Gefahrenzone, ziehe mich fertig an, fahre los - nein, ich würge erstmal ab. Genau was man braucht. Aber sie springt wieder an. Schon eine Panne und ein Beinaheunfall, und noch nicht mal die eigene Ausfahrt verlassen. Fängt ja gut an!
Aber das alles ist vergessen, als ich in die Hauptstraße einbiege und das Gefühl der Schwerelosigkeit einsetzt, dass ich am Motorradfahren so liebe. Die Yamaha beamt sich und mich zum Ortsausgang, und dann im Nu zum nächsten Ortseingang. Motorradfahren ist einfach eine wahre Freude. Und das Gepäck für meine 19 Reisetage habe ich recht dezent unterbekommen, wie ich finde. Dabei habe ich sogar eine zweite Unterhose dabei
Nach etwas Bundesstraße, man darf sogar überholen, und einer Stunde Autobahn merke ich, dass das langweilig ist, und dass 17:45 am Hotel zu sein eigentlich zu früh ist. Immerhin bin ich erst 10:15 losgekommen. Das ist doch viel zu kurz für den ersten Tag! Besonders, weil der letzte Tag im Moment mit 700 km geplant ist. Also plane ich um: Ich drehe die Route vom letzten Tag um, und schneide sie südlich der A8 ab. Das fahre ich zuerst, danach dann wieder meine geplante Route. So werden 469km und 7:17 zu 501km und 8:44. Die schwäbische Alb ist hübsch anzusehen und hat gut gepflegte Straßen.
Ich stelle fest, dass es bei 15-18 Grad überraschend kalt aufm Naked Bike ist. Es droht den ganzen Tag Regen, aber er kommt nie. Trotzdem schlüpfe ich schließlich endlich mal in die Regenkombi, alleine als Kälteschutz. Das hätte ich ruhig früher machen können, und nicht erst, als es so aussah:
Ich fahre zwar nicht direkt am Bodensee vorbei, aber nah genug, dass ich einen Blick drauf werfen kann. Im nächsten Tal stapeln sich dann die Touristenautorentner. Ich übe mich in Geduld. Klappt aber nicht so richtig gut.
Dann geht es zur Unterkunft. Dies ist heute das Café am Schlossplatz in Wolfegg. Ich tauche leider erst nach der Öffnungszeit des Cafés auf, und stelle beruhigt fest, dass noch jemand da ist. Der Wirt wohnt im gleichen Haus und hat eine Einliegerwohnung hier in diesem schmucken Altbau vermietet. Die Nacht kostet 45 Euro mit Frühstück, was für die Region recht günstig ist. Ich gehe mir noch die Beine vertreten und jage mir in der Nachbarschaft noch ein Abendessen – mit Spätzle, natürlich! Zufrieden geht’s in die Kiste, trotz anfänglicher Schwierigkeiten war es ein runder Fahrtag, an dem ich mein Pensum übererfüllt habe. Ich fühle mich wohl auf der Yamaha und komme mit meiner Gepäcklösung gut zurecht.
Die tatsächlich Route sah etwa so aus:
Fr 6.9. Allgäu-München
Morgens bin ich gut aus dem Bett gekommen und habe lecker im Café gefrühstückt. Als einziger Gast kriegt man sein persönliches Buffet an den Tisch gebaut. Das Allgäu steht heute auf dem Plan. Abends übernachte ich bei einem alten Freund, der jetzt bei München wohnt.
Ich habe heute überwiegend leere Strecken in idyllischer Landschaft zu fahren. Aus irgendeinem Grund ist aber auch Mailand mitten auf der Route.
Sehr schön der Riedbergpass, tolle einsehbare 90° Kurven und Belag. Sonst immer wieder Überführung, aber idyllisch. Insgesamt ein Tag, der einfach mal gut nach Plan läuft und entspannt.
Und wenn mal Stau ist, dann von der ungewöhnlichen Sorte:
Gut, dass ich kein Putzfetischist bin. Das wäre wegen Wetter aber eh nix geworden. Außerdem geht 3x die ABS-Leuchte der Yamaha an. Das ABS regelt dann auch wirklich nicht mehr. Man kann per Hinterradbremse den Motor abschalten. Die TCS regelt aber weiterhin. Stellt man die Zündung aus und wieder an, geht die Lampe aus und das ABS regelt wieder normal. Ich verdächtige die vielen Zusatzverbraucher: zwei Navis und die Heizgriffe.
Da es hin und wieder tröpfelt, stelle ich die TCS auf Stufe 2. Das spart nebenbei noch Reifen, denn das Profil am Hinterrad verdampft zusehends. Der CRA3 war noch von Frankreich übrig, aber ein Wechsel vor dem Urlaub hätte wenig Sinn gemacht, denn so eine Tour überlebt kein Reifen.
Unterwegs treffe ich zwei andere Passknacker: Vater und Sohn aus Gütersloh. Solche zufälligen Begegnungen sind sehr selten, bei 253 Teilnehmern und 703 Punkten alleine in Deutschland, an denen man in der Regel immer nur 2 Minuten verbringt.
Insgesamt ist die Gegend sehr idyllisch, aber auch echt weit ab vom Schuss. Weil man nah an der Grenze zu Österreich ist, gibt es wenig Tankstellen, und teilweise nehmen sie Mondpreise. In einer Tankstelle wird sogar geraucht – Kulturschock. Es gibt immer mal wieder Strecken in die Berge rein, die Sackgasse sind und Maut kosten.
Abends besuche ich am Ende meiner 490 km-Tour einen Kommilitonen aus Bochumer Zeiten in München, auch zum Übernachten. Wir gehen nett essen und trinken unseren traditionellen Studenten-Drink von damals: White Russian. Aber nicht 0,1 l wie an der Schickimick-Bar, sondern aus Weizengläsern, wie in der seligen Wohnheim-Kneipe, in den Wochen bevor das Wohnheim abgerissen wurde, weshalb alles wegmusste. 3 Euro das Stück. Prost!
--- Zeitsprung ---
Hier sind einfach mal so zwei Wochen Alpentouren passiert, über die höchsten und schönsten Strecken der Welt, mit den nettesten Leuten der Welt, auf der besten Linie der Welt, als schnellster Fahrer der Welt, mit dem leckersten Essen, gemütlichen Unterkünften und beeindruckenden Aussichten. Das steht im anderen Reisebericht. Interessant für "Passknacker Deutschland" ist erst wieder der Heimweg...
So 22.9. Frankreich - Schwäbische Alb
Extra für diesen Reiseteil habe ich mir einige Punkte offengelassen, und zwar die Punkte an der Grenze von BaWü zur Schweiz, die man auf einer einigermaßen geraden Linie befahren kann. So geht es bis zum Bodensee, und dann nordöstlich die Schwäbische Alb entlang Richtung Nürnberg. Überraschend entdecke ich noch 2 fehlende deutsche Passknackerpunkte am Westende des Bodensees, die aus irgendeinem Grund nicht Teil meiner ursprünglichen Planung waren. Das wäre sehr blöd gewesen, wenn die am Ende der Tour noch offen gewesen wären. Gut, dass wir verglichen haben! Die Route sieht so aus:
Sonntags ist natürlich mehr Motorradverkehr als ich es gewöhnt bin, und einige Sonntagsfahrer regen mich durchaus auch auf. Ich bin nicht mehr in Frankreich und sollte auch nicht mehr so fahren. Damit rechnet hier niemand und auch der Führerschein ist in Gefahr, nicht nur der Geldbeutel. Erfreulich ist dagegen das Wetter. Nach den ersten 15 Minuten ist es völlig trocken und hat genau die richtige Temperatur.
Auch schön, dass die Straßen in BaWü überwiegend in einwandfreiem Zustand sind. Verlässlicher Grip und selten mal Verwerfungen. Auch der West-Ost-Teil meiner Route führt über launige Kurvenstrecken.
Es sind sogar zwei Bikertreffs gleichzeitig Passknackerpunkte. Wegen gutem Wetter sind viele andere Moppeds unterwegs, wobei die Hardware höherwertig als in der alten Heimat Ruhrpott ist. Italienische Marken sind stärker vertreten.
Später am Tag genieße ich die Aussicht auf den Bodensee - ohne Verkehrschaos! - und sichte gar einen seltenen Monotracer. Das ist ein einspuriger Kabinenroller, quasi eine Zigarre auf Rädern mit K1200S- oder Hayabusa-Technik, gefertigt in der Schweiz in Kleinserie, Handarbeit, und hat hinten ausklappbare Stützräder zum Anhalten. Auch schön, dass es hier im Wald neben der Straße eine Strecke für Mountainbikes mit Sprüngen gibt. Und einen Fahrdienst, der die Fahrräder und ihre Piloten wieder den Berg hoch zerrt. Dafür könnte ich mich auch begeistern.
In einem Dorf komme ich zu einem PKW-Unfall, der anscheinend gerade erst passiert ist. Ein Opel Astra und ein Land Rover stehen komisch auf/hinter einer Kreuzung innerorts und es liegen überall Plastikteile rum. Niemand ist eingeklemmt, alle sind auf den Beinen. Anscheinend ein Problem mit der Vorfahrt, der Astra traf den Land Rover in der Seite. Andere helfen schon, etwas Sinnvolles tun kann ich hier nicht, also weiter.
Meine Route zieht sich ziemlich, aber mit regelmäßigen Pausen bleibe ich wach im Sattel. Immer dem Schatten folgen… Shadow Run statt Ghost Rider?
Endlich kann man wieder sorgenfrei an jeder Tankstelle tanken und auch einkaufen. Mein Hotel heute ist in Albstadt. Die Rezeption ist nicht besetzt, aber es liegt ein Zimmerschlüssel bereit, auf dem ein Zettel mit meinem Namen klebt. Warum auch nicht? Vielleicht etwas unpersönlich. Nach der dringend nötigen Dusche, ich bin richtig platt von den 530 km heute, geht es zu Fuß ordentlich weit, essen suchen. Es gibt Pasta: Fetucine al Forno. Aktuell habe ich 91,5% Deutschland von geknackt. Morgen geht's weiter und dann schließlich nach Hause.
Mo, 23.9. Schwäbische Alb - Nürnberg
Der letzte Tag, und der längste Fahrtag. Durch die Verlängerung am ersten Anreisetag dieser Tour habe ich heute statt 700 km (12:56) "nur" 636 km (11:43), und wenn ich die drei nächsten Punkte an Nürnberg weglasse, weil ich die auch von dort aus innerhalb einer 3 Stunden-Tour erreichen kann, sind es gar nur 470 km, darunter viel Autobahn. Das reicht ja gerade mal für den Vormittag
Ne, nicht wirklich, ich bin schon ziemlich fertig und irgendwie auch froh, bald wieder daheim zu sein. Allerdings ist heute Regentag. Leider säuft mein undichtes, aber selbsttönendes Pinlock gnadenlos ab, beschlägt von innen und nimmt mir die Sicht. Nach etwa 20 Minuten klärt es zum Glück wieder auf, ich war schon am Pläne schmieden, wie ich es abbauen und zerstörungsfrei transportieren kann.
Das Wanderheim Roßberg ist wegen Baustelle nicht erreichbar – der Gau auf jeder Passknackertour fernab der Heimat. Es ist keine Umleitung beschildert, also guckt man aufs Navi und probiert andere Wege. Der erste führt zu einem Wanderweg, der zweite zu einem durchgestrichenen „Gesperrt“-Schild – Bingo! Ich habe auch noch Glück, dass heute Montag ist, denn Sa/So darf man nicht bis ganz oben fahren, und alles außer ganz oben wird nicht als Nachweis akzeptiert. Mit gründlicher Vorbereitung wüsste man sowas – ich wusste es aber nicht. Es regnet munter weiter.
Gegen 13 Uhr hört der Regen endlich mal auf und ich aktiviere das zweite Paar Handschuhe, dass ich seit 18 Tagen spazieren fahre. Das ist einfach das alte Paar, das ich früher getragen habe, ich weiß sofort wieder, warum ich es ausgemustert hatte: Innenfutter lose! Ist man erst mal drinnen, ist man aber froh über trockene Griffel. Die Straßen trocknen auch nach und nach ab, wenn auch nicht überall. Sauber wird das Motorrad nicht, dafür werde ich aber auch nicht mehr nass.
Es zieht sich ziemlich und ich habe wenig Lust, für mehr Fotos anzuhalten. Irgendwann hat man das letzte Nachweisfoto im Kasten. Dann, und auch zwischendurch füttere ich den Telegram-Bot von Passknacker vom Handy aus mit den Nachweisen, um sicher zu gehen, dass ich keinen Punkt ausgelassen habe. Das passt alles. Ziel erreicht! Beruhigt geht es auf die Autobahn nach Hause. Das ist auf einer Naked nicht die reine Freude, und diese hier bietet wirklich praktisch Null Windschutz. Ich stehe probeweise mal bei Tempo 130 auf, und es ändert sich nichts am Winddruck. Wow. Insgesamt tanke ich heute schon wieder 3x, der Fluch des kleinen Tanks mit komischer Form, wo nur 12 Liter bequem nutzbar sind. Irgendwann komme ich dann auch tatsächlich daheim an – fertig, aber sehr zufrieden. Aktuell habe ich 665 von 703 Punkten = 94,6% von Deutschland geknackt. Der Rest ist hoffentlich nur noch ein Wochenende und eine Abendrunde.
Im September lädt das Versysforum zum Höhentreffen. Das ist in Südtirol oder im Trentino, eine Woche Rundtouren um ein Hotel. Eine sehr nette Art, Motorrad zu fahren und Gemeinschaft zu leben. Das hatte ich schon gebucht. Wenn man schon mal jenseits der Alpen ist, dann kann eigentlich auch noch eine Woche dranhängen, und sich westwärts nach Frankreich bewegen, und als Rundreise zurück. Aber da ist ja noch dieses Projekt „alle deutschen Passknacker in 2019“. Da fehlen mir noch diverse Punkte nah der südlichen Landesgrenze bzw. auf dem Weg dorthin, weil das bisher aus Essen echt weit weg war. Da könnte man doch eigentlich die restlichen Punkte in je 2 Tagen während Anreise und Abreise abgrasen. Das war der Plan. Macht insgesamt 19 Tage und ca. 6000 km. Klarer Fall, da nimmt man das Naked Bike ohne Windschild, weil… man es für eilige Auslandseinsätze gekauft hat, und von diesen 19 Tagen schließlich 14 aus „Pässe braten im Ausland“ bestehen. Macht TOTAL Sinn! Also, für mich zumindest. Wir sind übrigens:
Das sind so schon 2755 km, wenn man in Lavarone 6 Tage kein Motorrad fährt und nur Autobahnen fährt. Mit Pässen dürften es ca. 6000 km sein.
Do 5.9. Nürnberg, Schwäbische Alb
Ich will mir die restlichen deutschen Passknacker im Süden holen. Der Plan ist, bei der An- und Abreise je zwei Tage lang die restlichen Punkte in Süddeutschland zu holen. Für den ersten Tag der Anreise sieht der Plan so aus:
So geht’s dann morgens los, oder auch nicht? Es ist immer gut, auf eine 6000 km Tour aufzubrechen, und das Mopped springt nicht an. Hat wohl zu lange rumgestanden, und zwar seit dem Frankreich-Urlaub im Juni. Dabei bin ich letzte Woche extra noch eine kleine Runde gefahren (mit Starthilfe). Jetzt ist die Lithium-Batterie wieder leer. Da ich die einfach aus der Versys übernommen hatte, habe ich auch die originale Bleibatterie noch. Die muss ich nur erst mal finden in meinem Umzugs Chaos, denn ich habe bisher nur 6 Tage in der neuen Wohnung verbracht und noch längst nicht alles ausgepackt. Eine Motorradbatterie ist jetzt auch weder so groß noch schwer, dass sie in Umzugskisten groß auffallen würde.
Irgendwann habe ich sie dann gefunden und eingebaut, wofür man den Top Case-Träger abschrauben muss, dann die Yamaha hinter den BMW schieben, Starthilfe - läuft! Also Top Case-Träger angeschraubt, angezogen und aufgestiegen, da rollt das Auto fast auf mich drauf, weil meine Mutter drin rumturnt um sich den Sitz einzustellen und offensichtlich nicht merkt, dass die Handbremse nicht drin ist. Losgebrüllt, sie hat angehalten, ich entferne mich aus der Gefahrenzone, ziehe mich fertig an, fahre los - nein, ich würge erstmal ab. Genau was man braucht. Aber sie springt wieder an. Schon eine Panne und ein Beinaheunfall, und noch nicht mal die eigene Ausfahrt verlassen. Fängt ja gut an!
Aber das alles ist vergessen, als ich in die Hauptstraße einbiege und das Gefühl der Schwerelosigkeit einsetzt, dass ich am Motorradfahren so liebe. Die Yamaha beamt sich und mich zum Ortsausgang, und dann im Nu zum nächsten Ortseingang. Motorradfahren ist einfach eine wahre Freude. Und das Gepäck für meine 19 Reisetage habe ich recht dezent unterbekommen, wie ich finde. Dabei habe ich sogar eine zweite Unterhose dabei
Nach etwas Bundesstraße, man darf sogar überholen, und einer Stunde Autobahn merke ich, dass das langweilig ist, und dass 17:45 am Hotel zu sein eigentlich zu früh ist. Immerhin bin ich erst 10:15 losgekommen. Das ist doch viel zu kurz für den ersten Tag! Besonders, weil der letzte Tag im Moment mit 700 km geplant ist. Also plane ich um: Ich drehe die Route vom letzten Tag um, und schneide sie südlich der A8 ab. Das fahre ich zuerst, danach dann wieder meine geplante Route. So werden 469km und 7:17 zu 501km und 8:44. Die schwäbische Alb ist hübsch anzusehen und hat gut gepflegte Straßen.
Ich stelle fest, dass es bei 15-18 Grad überraschend kalt aufm Naked Bike ist. Es droht den ganzen Tag Regen, aber er kommt nie. Trotzdem schlüpfe ich schließlich endlich mal in die Regenkombi, alleine als Kälteschutz. Das hätte ich ruhig früher machen können, und nicht erst, als es so aussah:
Ich fahre zwar nicht direkt am Bodensee vorbei, aber nah genug, dass ich einen Blick drauf werfen kann. Im nächsten Tal stapeln sich dann die Touristenautorentner. Ich übe mich in Geduld. Klappt aber nicht so richtig gut.
Dann geht es zur Unterkunft. Dies ist heute das Café am Schlossplatz in Wolfegg. Ich tauche leider erst nach der Öffnungszeit des Cafés auf, und stelle beruhigt fest, dass noch jemand da ist. Der Wirt wohnt im gleichen Haus und hat eine Einliegerwohnung hier in diesem schmucken Altbau vermietet. Die Nacht kostet 45 Euro mit Frühstück, was für die Region recht günstig ist. Ich gehe mir noch die Beine vertreten und jage mir in der Nachbarschaft noch ein Abendessen – mit Spätzle, natürlich! Zufrieden geht’s in die Kiste, trotz anfänglicher Schwierigkeiten war es ein runder Fahrtag, an dem ich mein Pensum übererfüllt habe. Ich fühle mich wohl auf der Yamaha und komme mit meiner Gepäcklösung gut zurecht.
Die tatsächlich Route sah etwa so aus:
Fr 6.9. Allgäu-München
Morgens bin ich gut aus dem Bett gekommen und habe lecker im Café gefrühstückt. Als einziger Gast kriegt man sein persönliches Buffet an den Tisch gebaut. Das Allgäu steht heute auf dem Plan. Abends übernachte ich bei einem alten Freund, der jetzt bei München wohnt.
Ich habe heute überwiegend leere Strecken in idyllischer Landschaft zu fahren. Aus irgendeinem Grund ist aber auch Mailand mitten auf der Route.
Sehr schön der Riedbergpass, tolle einsehbare 90° Kurven und Belag. Sonst immer wieder Überführung, aber idyllisch. Insgesamt ein Tag, der einfach mal gut nach Plan läuft und entspannt.
Und wenn mal Stau ist, dann von der ungewöhnlichen Sorte:
Gut, dass ich kein Putzfetischist bin. Das wäre wegen Wetter aber eh nix geworden. Außerdem geht 3x die ABS-Leuchte der Yamaha an. Das ABS regelt dann auch wirklich nicht mehr. Man kann per Hinterradbremse den Motor abschalten. Die TCS regelt aber weiterhin. Stellt man die Zündung aus und wieder an, geht die Lampe aus und das ABS regelt wieder normal. Ich verdächtige die vielen Zusatzverbraucher: zwei Navis und die Heizgriffe.
Da es hin und wieder tröpfelt, stelle ich die TCS auf Stufe 2. Das spart nebenbei noch Reifen, denn das Profil am Hinterrad verdampft zusehends. Der CRA3 war noch von Frankreich übrig, aber ein Wechsel vor dem Urlaub hätte wenig Sinn gemacht, denn so eine Tour überlebt kein Reifen.
Unterwegs treffe ich zwei andere Passknacker: Vater und Sohn aus Gütersloh. Solche zufälligen Begegnungen sind sehr selten, bei 253 Teilnehmern und 703 Punkten alleine in Deutschland, an denen man in der Regel immer nur 2 Minuten verbringt.
Insgesamt ist die Gegend sehr idyllisch, aber auch echt weit ab vom Schuss. Weil man nah an der Grenze zu Österreich ist, gibt es wenig Tankstellen, und teilweise nehmen sie Mondpreise. In einer Tankstelle wird sogar geraucht – Kulturschock. Es gibt immer mal wieder Strecken in die Berge rein, die Sackgasse sind und Maut kosten.
Abends besuche ich am Ende meiner 490 km-Tour einen Kommilitonen aus Bochumer Zeiten in München, auch zum Übernachten. Wir gehen nett essen und trinken unseren traditionellen Studenten-Drink von damals: White Russian. Aber nicht 0,1 l wie an der Schickimick-Bar, sondern aus Weizengläsern, wie in der seligen Wohnheim-Kneipe, in den Wochen bevor das Wohnheim abgerissen wurde, weshalb alles wegmusste. 3 Euro das Stück. Prost!
--- Zeitsprung ---
Hier sind einfach mal so zwei Wochen Alpentouren passiert, über die höchsten und schönsten Strecken der Welt, mit den nettesten Leuten der Welt, auf der besten Linie der Welt, als schnellster Fahrer der Welt, mit dem leckersten Essen, gemütlichen Unterkünften und beeindruckenden Aussichten. Das steht im anderen Reisebericht. Interessant für "Passknacker Deutschland" ist erst wieder der Heimweg...
So 22.9. Frankreich - Schwäbische Alb
Extra für diesen Reiseteil habe ich mir einige Punkte offengelassen, und zwar die Punkte an der Grenze von BaWü zur Schweiz, die man auf einer einigermaßen geraden Linie befahren kann. So geht es bis zum Bodensee, und dann nordöstlich die Schwäbische Alb entlang Richtung Nürnberg. Überraschend entdecke ich noch 2 fehlende deutsche Passknackerpunkte am Westende des Bodensees, die aus irgendeinem Grund nicht Teil meiner ursprünglichen Planung waren. Das wäre sehr blöd gewesen, wenn die am Ende der Tour noch offen gewesen wären. Gut, dass wir verglichen haben! Die Route sieht so aus:
Sonntags ist natürlich mehr Motorradverkehr als ich es gewöhnt bin, und einige Sonntagsfahrer regen mich durchaus auch auf. Ich bin nicht mehr in Frankreich und sollte auch nicht mehr so fahren. Damit rechnet hier niemand und auch der Führerschein ist in Gefahr, nicht nur der Geldbeutel. Erfreulich ist dagegen das Wetter. Nach den ersten 15 Minuten ist es völlig trocken und hat genau die richtige Temperatur.
Auch schön, dass die Straßen in BaWü überwiegend in einwandfreiem Zustand sind. Verlässlicher Grip und selten mal Verwerfungen. Auch der West-Ost-Teil meiner Route führt über launige Kurvenstrecken.
Es sind sogar zwei Bikertreffs gleichzeitig Passknackerpunkte. Wegen gutem Wetter sind viele andere Moppeds unterwegs, wobei die Hardware höherwertig als in der alten Heimat Ruhrpott ist. Italienische Marken sind stärker vertreten.
Später am Tag genieße ich die Aussicht auf den Bodensee - ohne Verkehrschaos! - und sichte gar einen seltenen Monotracer. Das ist ein einspuriger Kabinenroller, quasi eine Zigarre auf Rädern mit K1200S- oder Hayabusa-Technik, gefertigt in der Schweiz in Kleinserie, Handarbeit, und hat hinten ausklappbare Stützräder zum Anhalten. Auch schön, dass es hier im Wald neben der Straße eine Strecke für Mountainbikes mit Sprüngen gibt. Und einen Fahrdienst, der die Fahrräder und ihre Piloten wieder den Berg hoch zerrt. Dafür könnte ich mich auch begeistern.
In einem Dorf komme ich zu einem PKW-Unfall, der anscheinend gerade erst passiert ist. Ein Opel Astra und ein Land Rover stehen komisch auf/hinter einer Kreuzung innerorts und es liegen überall Plastikteile rum. Niemand ist eingeklemmt, alle sind auf den Beinen. Anscheinend ein Problem mit der Vorfahrt, der Astra traf den Land Rover in der Seite. Andere helfen schon, etwas Sinnvolles tun kann ich hier nicht, also weiter.
Meine Route zieht sich ziemlich, aber mit regelmäßigen Pausen bleibe ich wach im Sattel. Immer dem Schatten folgen… Shadow Run statt Ghost Rider?
Endlich kann man wieder sorgenfrei an jeder Tankstelle tanken und auch einkaufen. Mein Hotel heute ist in Albstadt. Die Rezeption ist nicht besetzt, aber es liegt ein Zimmerschlüssel bereit, auf dem ein Zettel mit meinem Namen klebt. Warum auch nicht? Vielleicht etwas unpersönlich. Nach der dringend nötigen Dusche, ich bin richtig platt von den 530 km heute, geht es zu Fuß ordentlich weit, essen suchen. Es gibt Pasta: Fetucine al Forno. Aktuell habe ich 91,5% Deutschland von geknackt. Morgen geht's weiter und dann schließlich nach Hause.
Mo, 23.9. Schwäbische Alb - Nürnberg
Der letzte Tag, und der längste Fahrtag. Durch die Verlängerung am ersten Anreisetag dieser Tour habe ich heute statt 700 km (12:56) "nur" 636 km (11:43), und wenn ich die drei nächsten Punkte an Nürnberg weglasse, weil ich die auch von dort aus innerhalb einer 3 Stunden-Tour erreichen kann, sind es gar nur 470 km, darunter viel Autobahn. Das reicht ja gerade mal für den Vormittag
Ne, nicht wirklich, ich bin schon ziemlich fertig und irgendwie auch froh, bald wieder daheim zu sein. Allerdings ist heute Regentag. Leider säuft mein undichtes, aber selbsttönendes Pinlock gnadenlos ab, beschlägt von innen und nimmt mir die Sicht. Nach etwa 20 Minuten klärt es zum Glück wieder auf, ich war schon am Pläne schmieden, wie ich es abbauen und zerstörungsfrei transportieren kann.
Das Wanderheim Roßberg ist wegen Baustelle nicht erreichbar – der Gau auf jeder Passknackertour fernab der Heimat. Es ist keine Umleitung beschildert, also guckt man aufs Navi und probiert andere Wege. Der erste führt zu einem Wanderweg, der zweite zu einem durchgestrichenen „Gesperrt“-Schild – Bingo! Ich habe auch noch Glück, dass heute Montag ist, denn Sa/So darf man nicht bis ganz oben fahren, und alles außer ganz oben wird nicht als Nachweis akzeptiert. Mit gründlicher Vorbereitung wüsste man sowas – ich wusste es aber nicht. Es regnet munter weiter.
Gegen 13 Uhr hört der Regen endlich mal auf und ich aktiviere das zweite Paar Handschuhe, dass ich seit 18 Tagen spazieren fahre. Das ist einfach das alte Paar, das ich früher getragen habe, ich weiß sofort wieder, warum ich es ausgemustert hatte: Innenfutter lose! Ist man erst mal drinnen, ist man aber froh über trockene Griffel. Die Straßen trocknen auch nach und nach ab, wenn auch nicht überall. Sauber wird das Motorrad nicht, dafür werde ich aber auch nicht mehr nass.
Es zieht sich ziemlich und ich habe wenig Lust, für mehr Fotos anzuhalten. Irgendwann hat man das letzte Nachweisfoto im Kasten. Dann, und auch zwischendurch füttere ich den Telegram-Bot von Passknacker vom Handy aus mit den Nachweisen, um sicher zu gehen, dass ich keinen Punkt ausgelassen habe. Das passt alles. Ziel erreicht! Beruhigt geht es auf die Autobahn nach Hause. Das ist auf einer Naked nicht die reine Freude, und diese hier bietet wirklich praktisch Null Windschutz. Ich stehe probeweise mal bei Tempo 130 auf, und es ändert sich nichts am Winddruck. Wow. Insgesamt tanke ich heute schon wieder 3x, der Fluch des kleinen Tanks mit komischer Form, wo nur 12 Liter bequem nutzbar sind. Irgendwann komme ich dann auch tatsächlich daheim an – fertig, aber sehr zufrieden. Aktuell habe ich 665 von 703 Punkten = 94,6% von Deutschland geknackt. Der Rest ist hoffentlich nur noch ein Wochenende und eine Abendrunde.